archberlin zeigt Bilder von Berliner Architektur bzw. von Straßen, Plätzen und anderen architektonisch geprägten Orten. Die Sammlung ist subjektiv.
Wenn möglich, soll eine Bewertung der gezeigten Gebäude oder Situationen mit den Bildern einhergehen. Die Bewertung ist so subjektiv wie die Auswahl der Gebäude. Sie bezieht sich in der Regel auf das Äußere der Gebäude, so, wie es dem normalen Passanten entgegentritt. (Das Innere, seine Gestalt und Funktionalität, ist eher nicht Gegenstand der Betrachtungen.) Es sind die Fassaden, die das Gesicht des Gebäudes, im Zusammenspiel der Fassaden das Gesicht der Stadt ausmachen. Ein Gesicht aber berührt jeden. Vielen Menschen ist der hohe Stellenwert ihrer gebauten Umwelt für ihr Wohlbefinden nicht bewußt. Hier liegt der Ansatzpunkt von archberlin: Es möchte den Blick für Architektur und Stadtbild Berlins schärfen.
Die folgenden Gedanken sollen ein wenig den gedanklichen Hintergrund dieser Website erhellen. Sie sind polemisch zugespitzt. Ihre Ausführung entgeht dadurch dem Zwang der ständigen Relativierung.
archberlin geht von der These aus, dass die gebaute Umwelt unser Leben in einem viel höheren Maße beeinflußt, als es gemeinhin wahrgenommen wird. Dieser Einfluß ist insbesondere in Deutschland ein negativer. Es ist dies nicht nur, aber vor allem, ein Resultat der Zerstörungen des zweiten Weltkrieges.
Um sich klar zu machen, welche Rolle unsere gebaute Umwelt spielt, muß man sich nur Filme anschauen. Eine dichte Atmosphäre wird in erster Linie durch die Handlung, in zweiter Linie aber durch die Orte erzeugt, an denen die Handlung sich abspielt. Man vergleiche unter diesem Gesichtspunkt zum Beispiel deutsche, französische, amerikanische Filme. Wieviel leichter als in Deutschland lassen sich in Frankreich und den USA stimmige Bilder finden, deren Reiz in einer Vielfalt von z.T. winzigen Details liegt.
Woran liegt das? Die geschlossene, vielfältige Kulturlandschaft, die Deutschland bis 1932 darstellte (oder nicht?), hat sich von den Schlägen, die sie während der Herrschaft der Nationalsozialisten und im daraus folgenden Krieg erhielt, noch immer nicht richtig erholt. Auf die geistige Verödung, wie sie besonders folgenschwer durch die Vertreibung und Ermordung der Juden stattfand, folgte ein Krieg, der das Gesicht des Landes bis zur Unkenntlichkeit verstümmelte. Dies gilt vor allem für die Städte, wo teilweise jahrhunderte alte Gebäude dem Erdboden gleich gemacht wurde. Auf dem Lande geschah etwas anderes. Die Gebäude sind, viele jedenfalls, noch da. Aber man hat sie geliftet. Aus lebendigen faltigen Gesichtern hat man glatte gemacht, die uns starr wie Untote entgegensehen. Die Umgebung wurde gleich mit geglättet. Es ist, als ob man Angst davor hätte, zurückzuschauen und sich zu besinnen, was unsere Kultur einmal ausgemacht hat, und was unsere Vorfahren dazu gebracht hat, dieses Erbe (?) der Zerstörung anheimzugeben.
Der sogenannte Wiederaufbau geschah in einer Phase, die geschichtlich gesehen unglücklicher nicht sein konnte. Städte, ja ganze Landschaften sind im Laufe der Menschheitsgeschichte immer zerstört worden. Unermeßliche Schätze sind für immer verschwunden. Über die Jahrhunderte, ja Jahrtausende hin wurde aber ebenso unermüdlich wieder aufgebaut. Der sogenannte Wiederaufbau in Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg fand aber in einer geschichtlich so wahrscheinlich noch nicht dagewesenen Zeit statt. Die Tatsache, daß man das durch den Krieg Zerstörte nicht wieder haben wollte, hatte ihre Wurzeln in einer Geringschätzung vor allem der Großstadt, wie sie im 19.Jahrhundert entstanden war.
Diese Großstadt war unübersichtlich, laut, schmutzig, ungesund. Dem ästhetisch Sensiblen war sie ein Greuel, vor allem in ihren historistischen Erweiterungen. Frühzeitig gab es Ideen zu ihrer Überwindung durch Gartenstädte, durch die Entmischung von Wohnen und Arbeiten, durch Abriß und „Auflösung“. Auch die Entstehung des Bauhauses ist u.a. in diesem Kontext zu sehen.
Diese teilweise durchaus nachvollziehbare Geringschätzung übertrug sich aber nach dem Kriege auf alles „Alte“. Es war nicht modern, es war dem Fortschritt ohnehin im Weg gewesen, warum also es noch erhalten (wo Ruinen dies möglich gemacht hätten) oder es gar wieder neu errichten? In Polen (Danzig, Warschau) hat man es in den Grenzen des finanziell Möglichen getan in dem Bewußtsein der Bedeutung der Identifikation mit Orten, als Ausdruck von Geschichte. Dieses Bewußtsein war in Deutschland abhanden gekommen. (Das betraf nicht nur Bauwerke ein anderes interessantes Beispiel ist das Verschwinden einer Eßkultur, auch wenn diese nie das Niveau etwa der französischen oder italienischen gehabt hatte.)
Besonders tödlich für das städtische Gefüge war der „moderne“ Wiederaufbau der Kernstadt, der den Straßenraum nicht mehr als vom ruhenden oder sich langsam bewegenden Menschen erlebbaren „Raum“, sondern als schnell zu durchquerendes (d.h. zu durchfahrendes) notwendiges Übel begriff, um von einem Punkt zu einem anderen zu gelangen. Der Außenraum als Ergänzung zum Innenraum verschwand. Dafür konnten die neuen (vor allem Wohn-) Gebäude zur Sonne hin ausgerichtet werden. Es entstanden die Zeilenhäuser, eingestreut zwischen Grünanlagen (oft nur einfache Rasenflächen), stadtrandmäßige Weitläufigkeit anstelle innenstädtischer Dichte. Trennung der Lebensbereiche. Entspannung statt Spannung. Die Erfüllung von Vorkriegsträumen. Das Ende dessen, was „Stadt“ einmal ausgemacht hatte.
Was zählte (und oft genug immer noch zählt) ist die übersichtliche Pflegeleichtigkeit. Der Asphalt möglichst um das ganze Gebäude herum. Der gestutzte Rasen. Das einteilige Fenster, in dem keine Sprossen den Reinigungsakt stören. Was keine Rolle spielt: Die Proportion. Das Zusammenspiel der Materialien. Der Farbsinn. Die Liebe zum Detail. Der handwerkliche Stolz. Die Sinne dafür sind verloren.
Dem oben skizzierten Negativen muß nun aber doch relativierend etwas entgegengestellt werden. Spätestens seit Beginn der achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts hat ein Umdenken eingesetzt. Der Verlust, den das Land erfahren hat, ist ins Bewußtsein gerückt. Manche Bausünde der Nachkriegszeit ist verschwunden. Bedenkenlose Abrisse sind seltener geworden.
Und: Was hier im einem großen Bogen behauptet wird, stimmt im Einzelnen oftmals nicht. Es gab Viele, die sich dem Bewahren, der Pflege der baulichen Schätze unseres Landes widmeten und dabei Großes geleistet haben. Es gab auch ganze Orte, deren Einwohnerschaft sich einen Sinn für das geschichtlich Gewachsene bewahrt haben.
Auch in der Nachkriegszeit, als das Hauptstreben danach ging, verloren gegangenen Wohnraum wiederzugewinnen und die Städte wiederzubeleben, als Zeit und Mittel knapp waren, sind herausragende Bauwerke entstanden. Die Masse der Architektur war arm in jedem Sinne.
Wie steht es nun heute? archberlin will dieser Frage für die Stadt Berlin nachgehen. In loser Folge sollen neue und ältere Bauten und Stadtansichten gezeigt und gegebenenfalls kommentiert werden. Vielleicht ergibt sich nach und nach eine Antwort auf die Frage. Vielleicht öffnet archberlin dem einen oder anderen Bewohner oder Besucher der Stadt die Augen für noch nicht Entdecktes. archberlin versteht sich in diesem Sinne als Ergänzung zu den zahlreichen existierenden Büchern zum Thema.
C.R.
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